Der Song «Forever Young» schlug in meinen Teenagerjahren voll ein. Und in meinen Spät-Teenager-Jahren feiert er ein Revival. 1984 ging dieser Song der Musikgruppe Alphaville senkrecht hoch und 2024 wurde der Song ein bisschen aufgemotzt und auf Ibiza wurde er vom Meister David Guetta in alter Frische aufgelegt. Und aus lauter Nostalgie habe ich gleich beide Versionen auf meiner Playlist, denn mir gefällt auch Guettas Version – schliesslich ist sie auch «Forever Young».
Was tun wir älteren Menschen doch nicht alles für unser äusserliches FY (ich kürze jetzt ab, ist gäbiger). Wir leben gesünder, nachdem wir bis 40 so richtig auf den Putz gehauen haben. Wir machen Sport und dies in einer verrückten Besessenheit, weil wir immer noch mithalten wollen mit den Youngs. Wir rennen Läufe, wir kämpfen gegen überflüssige (aber bezahlte) Kilos, wir verzichten aus Vernunft, wir färben die Haare und tragen Farbe, wo der Lack eigentlich ab ist und wenn wir zu den Menschen gehören, die es sich leisten können, spritzen wir Botox in die Falten oder wir spritzen uns die Kilos mit einer Wunderspritze weg.
Da ich zu diesen älter werdenden Menschen gehöre, bekomme ich ja so einiges mit und nicht nur das, ich erlebe es selber. Und immer mehr finde ich es wirklich lächerlich, dieses FY. Denn plagieren wir uns manchmal in bester gleichaltriger Gesellschaft vor, wie wir diese Lebensabschnitte der Erfahrung geniessen, rennen wir am nächsten Tag die Weinkilos auf dem Laufband ab. Nun, es ist halt ein Gesellschaftsphänomen oder so. Wir lesen mit einer wunderbaren Genugtuung, dass das neue 50 das 40gi ist usw. Wir werden von diversen Instituten angefragt, wie wir denn so ab 65 gedenken zu leben und wie wir die Lebenserwartung einschätzen. Ob wir dann alles auf einem Haufen haben wollen oder als Rente und ob wir denn noch arbeiten wollen oder ob wir dann doch auf die Weltreise gehen – mit dem Camper notabene. Und wir sehen uns Kurven an und Rentabilitätsrechnungen – Leute – wir werden auch über das Geld optimiert, wenn wir denn forever young bleiben wollen, dann müssen wir planen. Wir entdecken Bilder von gestylten ü60 Menschen, die ihr Leben an der Sonne geniessen. Bei denen regnet es ja nie, weil sie von ihren Versicherungen und Banken sicher nicht im Regen stehen gelassen werden, solange die Renten und Vorsorgen noch bezahlt werden, solange sie forever young sind. Wir wollen Mindestlöhne und dann doch wieder nicht, wir wollen keine Steuern bezahlen und wir wollen nicht so viel arbeiten und mehr ME-TIME und wir wollen Kinder und wir wollen Familie, Hunde und Katzen und Ferienwohnungen im Süden, Norden und Westen. Weil im Osten wird man nur alt, dort ist es nicht so forever young. Und wir wollen nicht nur einen Black Friday wir wollen nun Black Weeks und bald wird es zum Black Month und dann wollen wir noch Money forever. Und in all dieser Gier frage ich mich, ob wir denn wirklich für all diesen Lebensstil noch Zeit haben, oder ob wir nicht ab und zu einfach mal die Türe schliessen und zu diesen Alphaville-Zeilen ausflippen sollten:
Some are like water, some are like the heat
Some are a melody and some are the beat
Sooner or later, they all will be gone
Why don't they stay young?
Denn fühlen, denken und sehen, was wir wirklich sehen wollen, können wir immer wieder, da brauchen wir nur einen Moment für uns selber – am besten ohne Vorsorge, sondern einfach im Hier und Jetzt.
Comments